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Auskünfte zum Energiekonzept vom Auswärtigen Amt?

(K)eine Spekulation im Dämmerzustand der Gegenwart

Kommentar

Wer zieht 2009 ins Kanzleramt?


Von Franziska Sylla

Berlin, 14.07.2008. Wenn Journalisten über aktuelle politische Vorgänge berichten, setzen sie damit weder die vergangenen noch die künftigen Ereignisse außer Kraft, die Gegenwart bleibt stets genau dazwischen. Gleichgültig, wie weit die Entwicklungsabschlüsse oder Prozessergebnisse vor- oder zurückliegen, gleichgültig, wie sehr sich politische Vertreter dagegen sträuben, es gibt keine aktuellen Berichte ohne Geschichte.

Wer Politiker nach den Folgen ihres Parteien- oder Regierungshandelns befragt, erfährt rasch die Lieblingsstandardantworten „zu Spekulationen äußere ich mich nicht“ und „das sind Überlegungen der Parteien, das ist noch kein Regierungshandeln.“ Etwas weiter formulieren Politiker und ihre Vertreter gerne, „wir bitten Sie, erst einmal die nächsten Verhandlungen der Arbeitsgemeinschaft“, „die Auswertung der Studie innerhalb der Ressorts der Ministerien“, „die nächste Pressekonferenz in diesem Hause “ abzuwarten. Warten und Abwarten, da sind sich alle Minister samt Schergen, Parlaments- oder Parteigenossen immer einig, rettet über die gegenwärtigen Journalistenfragen hinweg, das gelingt auf der ganzen Welt. Wer über die aktuelle Politik hinaus sieht, hört, fühlt oder denkt, landet selten Punkte im Wettbewerb der öffentlichen Informationsmacht.

Doch genau darum geht es im Allgemeinen bei den Medienmachern: um den Kampf echter Nachrichten. Auf die öffentlichkeitswirksame Regierungspropaganda der zuständigen Pressestellen, die einen Korrespondenten oder Publizisten täglich erreichen, will trotzdem niemand verzichten. Auch nicht auf die bilateralen Gespräche oder Einzelinterviews oder die Nachrichten der Medienkollegen. Gewinnt ein Journalist, eine Journalistin einen öffentlichen Diskurs um eine Information mit Nachrichten dienlichem Inhalt, wird er/sie auf einer ungeschriebenen Legendentafel der großartigsten Journalisten zum Gedächtnis eingeritzt. Nicht so großartige Journalisten sollten sich nicht entmutigen lassen, wenn sie nur vom Schreibtisch oder vom Fernsehbildschirm auf das Zeitgeschehen blicken. Dabeisein ist alles, um zu wissen, wer, was, wie, warum, auch wenn es manchmal protokollarisch zugeht, wegen der Sicherheit und der öffentlich wirksamen politischen Folgen.

Exzellente Journalisten umgehen auf glatt gebohnertem Parkett brilliant der politischen Verführung, verallgemeinerungsfähige Sollzustände für die Realität zu halten; Sie ignorieren politisches Verschweigen und fragen einen Bundeslandwirtschaftsminister gelassen und öffentlich, „wieso ihn die Erkenntnis“ erst jetzt ergreife, wo er doch dem Problementstehungskabinett als Gesundheitsminister bis 2005 angehörte. Ende Juni 2008 warb derselbe Horst Seehofer (CDU), diesmal als Verbraucher- und Landwirtschaftsminister, gemeinsam mit Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (CDU), für ein Gesundheitsbewusstsein, das an die Eltern und Bildungsverantwortlichen in den Schulen und Ausbildungsunternehmen weiter geleitet wird. „Das Bewusstsein über die Vorgänge erweiterte sich eben“, sagte Seehofer, daher kam er selbst nicht auf diese Idee. (www.die-praevention.de/www.bundesregierung.de)

Als „nicht so eloquent“ bezeichnete sich vergangenen Freitag ein Vertreter des Verteidigungsministeriums. Journalisten befragten den Regierungssprecher, den Sprecher des Auswärtigen Amtes, des Verteidigungsministeriums sowie den Sprecher des Innenministeriums nach den entführten deutschen Geiseln in der Türkei. Auf die fast suggestiv gestellte Frage, „warum die Ihnen sonst so rasch über die Lippen gehenden, PR-ähnlichen Informationen heute so langsam vorgetragen werden“, parierte der Sprecher des Auswärtigen Amtes: „Wenn das etwas stockend klang, dann wegen meiner mangelnden Eloquenz. Manchmal nimmt das Gespräch mit Ihnen doch eine ganz andere Wendung. Ich muss ja überlegen, was ich Ihnen hier sage.“ Journalisten, die sich noch an seinen ersten Tag in der Regierungspressekonferenz erinnern, wissen, dass der fleißige Mann seinen Humor gelegentlich mit allen Saalgästen teilt: „Nicht immer ist der Inhalt einer Zeitung das Geld wert, das man für sie ausgeben muss.“

Die Arbeit als stellvertretender Ministersprecher ist anstrengend, der vielen Reisen wegen, aber auch der Position wegen, zwischen den wissbegierigen Medienleuten einerseits, die nicht glauben, was sie hören und ihren Spitzenpolitikern andererseits, deren mächtige Zungen sie vertreten sollen, erfolgreich zu bestehen. Dabei dürfen sie die Kompetenzen ihres Amtes als Zweiter oder Dritter nicht überschreiten, gleichzeitig bleiben sie Menschen unter Menschen, bei denen nicht alles perfekt ist und die mal metakomisch oder gar grotesk wirken.

An einem Konferenztag im Juni 2008 senkte sich bereits der Podiumssessel des Sprechers aus dem Verteidigungsministerium bei Redeansatz über eine Entführung in Afghanistan: „Wir sind zutiefst bemüht und tief betroffen.“ Minutenlang redete er, zwei Köpfe niedriger als seine zehn Kollegen rechts und links neben ihm, mit den Journalisten fast auf Augenhöhe. Zweimal wechselte er, unterstützt von einer Saalmitarbeiterin, die Stühle, bis er wieder auf Kopflinie mit seinen Kollegen saß.

Die Sprecher des Auswärtigen Amtes und ihre Mitarbeiterstäbe könnten künftig auch stärker zu einer breiteren Auskunftsfähigkeit gegenüber der Medienöffentlichkeit gebracht werden, zumindest bis nach der Bundestagskonstitution 2009. Montag vor einer Woche bezog Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Stellung zum Energiekonzept der Regierung. Diese unterschied sich von der Vorstellung der Kanzlerin Angela Merkel (CDU), deren Stellvertreter Steinmeier ist. Merkel will den „Atomausstieg nicht im Grundgesetz“ eingetragen wissen, er will am Atomausstieg festhalten, wie im Koalitionsvertrag mit der CDU 2006 vereinbart. Wenn sich ein Parteipolitiker wie Frank-Walter Steinmeier vollblütig in der Rolle eines Beamten zeigt, der über sein anvertrautes Ministerressort hinaus eine parteiprogrammatische Meinung vertritt, weckt dieses Verhalten die journalistischen Nervenzellen und regt zum Denken an, zum Spekulieren. Steinmeier gab der Presse gegenüber seine Absicht nicht preis, das Amt des Bundeskanzlers anzustreben.

Die ganze SPD-Partei bastelt bis Mitte 2009 an einem Kanzlerkandidaten neben dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD). Ihr Parteigenosse, der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit, aktualisierte vergangene Woche beim Phoenix-Dialog seine Äußerung, sich das Kanzleramt vorstellen zu können, aber "es muss nicht sein." Wowereits Besuche in den Berliner Bezirken sind 2008 zurückgegangen, Veranstaltungen, die er bis 2007 als Schirmherr oder politische Werbefigur als Landesvater besuchte, wichen Auftritten auf bundespolitischer Ebene. Dieses Verhalten wird nicht nur auf ein verändertes Freizeitverhalten zurückzuführen sein. Auch nicht darauf, dass sich alle Bundesländer 2007 damit anfreundeten, was Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zugunsten der Bundeshauptstadt „als Repräsentantin der Regierung“, unterschrieb: Den Hauptstadtvertrag, der die Schuldenberge des „armen, aber sexy“ Berlin im Schulterschluss mit dem Bund besser verwalten soll.

Können Analysten bei Peer Steinbrück Bestrebungen ins höchste Regierungsamt erkennen? Wer wurde in der Vergangenheit aus dem Finanzministerium zum Bundeskanzler gewählt und war SPD-Mitglied? Nicht jedes Urgestein gehört zum aktuellen politischen Personal. Den Spekulationsgerüchten hinzugefügt sei der ehemalige Vizekanzler der Bundeskanzlerin Merkel, Franz Müntefering (SPD). Gehört er dem SPD-Kandidatenpool für 2009 an? Nur, wenn ein strategisches Genie sich zum Allzweckinformant an vorderster Front wandelt. (sylla, Lä 25.07.2008)

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