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Wählen und Abstimmen - nur für Demokraten geeignet

Wählen und Abstimmen – nur für Demokraten geeignet.

Von Franziska Sylla

Berlin, 27.09.2008. Deutschland im Wandel der Demokratie. Wählt Deutschland bunter? Der Schwung ist drin in Deutschland seit der Bundestagswahl 1998. Ob bei immer mehr Landeswahlen, ob jetzt in Bayern oder bei den Kommunalwahlen im Land Brandenburg, ganz schwarz oder ganz rot, das wollen immer weniger Wähler. Und immer mehr Gewählte wollen auch, dass es bunter wird in Deutschland, wie die Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzende Claudia Roth. Laut www.networld.at sieht sie ihre Partei vor dem größten bisherigen Erfolg in Bayern. "Die CSU rutscht unter 50 und wir werden zweistellig", sagte Roth Mittwochabend am Rande der Grünen-Abschlusskundgebung in München. Ein Machtwechsel werde Bayern gut tun. Die CSU stelle die letzte Alleinregierung. "Das gibt es sonst nur noch in Kuba, Nordkorea und China".

Oder bei Asterix und Obelix, die leben heute noch in einem Dorf, was von niemandem eingenommen wurde, weil sie über die Zauberkräfte eines Druiden verfügen dürfen. Doch dieser weise Mann gibt seinen Krafttrunk den ganzen Dorfbewohnern, in der Deutschen Demokratie haben nur die Abgeordneten in den Parlamenten den Zaubertrunk: Das Recht, nur ihrem Gewissen verpflichtet zu sein und sich über alle Regeln, Weisungen und Zweifel hinwegzusetzen, um die Interessen, die sie vertreten, zu schützen oder durchzusetzen. Ein Dorf mit einem Druiden ist aber ein Fantasiedorf. Zwar war die Demokratie auch mal Fantasie, die USA unterstützten die deutschen Bürger bei der Umsetzung in die Wirklichkeit. Im Zuge des Staatsumbaus wurde dabei aus so manchem national und nationalsozial denkenden Abgeordneten ein demokratischer Abgeordneter, ganz automatisch, weil es ein neues politisches Verfahren gab. Die Berufspolitiker hatten keine Vorstellung vorher davon, welche Wandlungen ihr Beruf als deutscher Parlamentarier ihnen abverlangen würde.

Die Direkte Demokratie war auch mal Fantasie. In Deutschland zuerst in Bayern. Da wurde die Fantasie 1957 im Landesrecht aufgenommen, jedoch kaum wahrgenommen. Die Durchführungsregeln waren zu hoch und, wozu außerparlamentarische Aktionen starten, die für mandatslose Meinungen um die Gunst der Bürger buhlen, wenn die demokratisch legitim gewählte CSU-Regierung gut zwei Generationen Menschen lang, die Mehrheit, sehr zufrieden stellte. Der Status (Quo) des Christlich sozialen Bayernstaates ermöglichte es, fast ein halbes Jahrhundert lang, seine brüderlichen Fantasien in alle Union geführten Regierungen Deutschlands mit zu verwirklichen. Bisher ist die CSU die erfolgreichste Partei Deutschlands seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland von 1949, die mit dem geringsten Aufwand den meisten Einfluss ausübte. Bis ins Jahr 2008 gilt der Bayer stereotyp als der Deutsche in Europa und im Ausland.

Die Deutschen sind eigentlich die Bayern oder die Bayern die wahren Deutschen? Die bayerische Gesellschaft hat sich weiter entwickelt, ihre Vertreter auch: Die Zukunftsformel Laptop und Lederhose wurde zur ideologischen Rhetorik des 21. Jahrhunderts. Ist die CSU „jetzt Opfer ihrer eigenen Modernisierung geworden?“ Das diskutierte der Presseclub am Sonntag, 28. September beim Phoenix-Sender. Eine Partei, die selbstlos Gesellschaftsstrukturen schafft, bei denen sie sich dann selbst entmachtet? Das gibt es nicht. Denn das Regierungsduo von Bayern, dass nicht Asterix und Obelix heißt, hat einfach auf den vitalen Großpapa gebaut, der zu lange an der ideologischen Regierungsuhr gedreht hat, statt dem Nachwuchs das Feld der Gegenwart zur Verfügung zu stellen. Bayern im Demokratiewandel? Klar, oder gehört Bayern nicht zu Deutschland?

Die CSU regiert Deutschland mit, opportunierte in Nichtregierungszeiten mit im Deutschen Bundestag, obwohl die CSU nach wie vor nur eine Landespartei ist. Die Fantasie reichte bei den Bayerischen Ministern nun nicht über das Ländle hinaus, aber die Fantasie einiger Bürgerinitiativen und außerparlamentarischer Wahlalternativen. Beide Politikersparten harrten mit Geduld in ihren Positionen, fast fünfzig Jahre lang. Im Jahr 2008 benutzen Realpolitiker aller Mandatsparteien sowie Fantasten ganz selbstverständlich die Direkt Demokratischen Instrumente wie Bürgerbegehren und Volksbegehren, die es seit 2006 in allen Deutschen Bundesländern gibt.

Das ist fast wie bei den Dorfbewohnern, die einen weisen Mann haben, der ihnen in der Bedrängnis einen Zaubertrunk braut, der sie so stärkt, dass sie ihre Schwächephase überwinden und ihr Dorf vor einer Übernahme retten.

Gewissenhaft hinzugefügt sei der Umstand des Schutzes vor den Konsequenzen des politischen Fantasierens: Zur Unterscheidung eines Bürgers mit Macht und eines Bürgers ohne Macht reicht dieser Punkt in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages aus, es gibt Bürger mit Mandat und welche ohne, die mit Mandat kriegen den Freibrief die dauerhafte Macht in einer Entscheidungsphase nur ihrem Gewissen und dem Gewissen ihresgleichen (Fraktionszwang) abzuringen. Dafür hat die Bevölkerung sie ja gewählt. Bürgern ohne Mandat stehen gemäß der demokratischen Grundsätze die selben Wege offen. Es bedarf nur immer wieder etwas Fantasie, sich vorzustellen, welche Informationen benötigt werden, um seine Interessen zu verwirklichen. Und mit wem man am besten dafür zusammen arbeitet und außerparlamentarische Abhängigkeiten eingeht.

Schwarz, rot oder bunt? Brandenburg wählt, heißt es in der Bild-Zeitung vom 26. September. Brandenburg wählt, ob wenn Bundesländer wählen könnten, die Brandenburger Wahlberechtigten wählen. Was die Journalisten immer so schreiben. In diesem Artikel hebt der Verfasser die Wahlen in den großen, ehemaligen Ost- Städten Potsdam, Frankfurt Oder und Cottbus hervor. Es wird bunter regiert, denn diese Bürgermeister regieren ohne Mehrheit ihrer Partei, stellt der Journalist fest. Das Potsdamer Stadtoberhaupt Jann Jakobs habe nichts zu Sagen im Stadtrat, da die Sozialdemokraten bei der letzten Wahl kaum 23 Prozent erreichten und überdies noch zwei Mitglieder verloren. Für jede Entscheidung muss sich Jakobs eine neue Mehrheit suchen, der heimliche Stadtchef sei Hans-Jürgen Scharfenberg von der Partei die Linke.

Das klingt kompliziert, ist aber in erster Linie die Konsequenz einer reifen Demokratie, deren Bürger mit und ohne Mandat sich an demokratische Grundregeln halten, dazu gehört die liberale Kommunikationskultur innerhalb und außerhalb der Parlamente, die Freude am Abstimmen und Wählen. Demokratiereife vermittelt, alle Teilnehmer können ihre Fantasien verwirklichen, wenn diese Freude tief und fest in demokratischen Verfahren verankert ist. Auf den ersten Blick sieht es in den Landtagen und im Bundestag gar nicht so bunt aus. Bei fünf bekannten Parteifarben ist der Bevölkerung nicht schwindlig geworden, aber den Abgeordneten selber wird abverlangt, politische Kompromisse zu finden, von denen sie sich keine Vorstellungen gemacht haben. Denn vor den Wahlen enthalten parteiprogrammatische Fantasien Wünsche zu Taten, die den Fantasien einer später einzugehenden Koalition widersprechen können. Dieser Meinung ist der designierte Parteivorsitzende Franz Müntefering, dessen Fantasie von der Gesellschaft und ihren Wandel immer wieder auf Regierungs- und Parteiböden seine Früchte zeigen.

Natürlich haben die Journalisten im Jahr 2008 gelernt, wie man die Partei die Linke (be)schreibt und damit ihr parlamentarisches Grundverständnis wiedergefunden. Für den Blickwinkel der traditionell bürgerlichen Parteien, nach links gerutscht zusein, muss man aber nicht gleich volles Verständnis übrig haben. Die hätten sich in den vergangenen fünfzig Jahren geistig den fortschrittlichen außerparlamentarischen Kräften öffnen können, statt auf ihre Sprechzeiten und Wahlen hinzuweisen. Das wirkte im Zeitalter der Globalisierung und Internetisierung untragbar hinterweltlerisch und die Bevölkerung hatte recht damit, das bewusst wahrzunehmen. Erinnern sich Politiker eigentlich an die Gespräche während ihrer Sprechzeiten? An die kritischen Diskussionen mit den Journalisten und Wissenschaftlern, an die Einwände der Nichtparlamentariar?

Wer sich an keine Kritik erinnert, wirkt arrogant, und die Bevölkerung hätte recht damit, diese Politik abzuwählen. Die Abwähler müssen nicht gleich den Staat verändern wollen, dafür wählen sie ja in reifen Demokratien ihre Interessensvertreter, die auch außerhalb der Sprechzeiten ihre Vertreter bleiben. Im Zeitalter der 24-Stunden-Service Gesellschaft ist das kein Problem. In einer direkt demokratischen Gesellschaft sowieso nicht.

Ein kritisches Demokratieverständnis bestätigt, wie soll es in einer Demokratie anders sein, eine aktuelle Studie, durchgeführt vom Forsa-Institut und der Berliner Freien Universität. Die Politologen Oskar Niedermeyer und Richard Stöss von der Freien Universität, stellten die Ergebnisse vergangenen Donnerstag in Berlin vor. 6.000 Personen sollen laut Tagesspiegel vom 26. September befragt worden sein. Forsa-Chef Manfred Güllner nannte die kursierende Zahl von einem Drittel demokratieferner Bürger vor dem Hintergrund der Studie einen „gefährlichen Unfug“. Was die Ergebnisse zeigten, sei eine weit verbreitete kritische Haltung zur Demokratie, wie sie nach dem Grundgesetz und in einer parlamentarischen Parteiendemokratie vorgesehen ist. Als systemkritisch stufen Oskar Niedermayer und Richard Stöss 17 Prozent der 6.000 Befragten ein. Diese wünschen sich eine andere Form der Demokratie, wobei die Fragebögen nicht darauf angelegt waren, zu ermitteln, welche Form es sein soll: mehr plebiszitär, mit einem anderen Wahlsystem oder stärker auf Führungspersonen orientiert.

Als politikkritische Demokraten bezeichnet die Studie 30 Prozent der Befragten, die zwar die Demokratieform des Grundgesetzes gutheißen, aber mit dem tatsächlichen Funktionieren ihre Probleme haben. Für den Politologen Oskar Niedermayer logisch, denn Kritikbereitschaft gehört zur Demokratie.

Mehr Informationen zu Direkter Demokratie finden Sie auf der Homepage von www.mehr-demokratie.de

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