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AG-Mittelstand stellt Jahresbericht 2008 vor



Von Franziska Sylla

Mittelstand will Sozialstaat umbauen. Die Regierung soll sich von Arbeitsmarktinstrumenten trennen, die auf gegenwärtig achtzig Personengruppen abzielen. Die Schuldenbremse soll angezogen werden.

Berlin, 27. Mai 2008. Der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Aussenhandels e.V. (BGA), Anton F. Börner, stellte heute in Berlin gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Christopher Pleister, den sechsten Jahresbericht vor. „Wachstumsimpulse setzen – Reformvorschläge nicht verspielen!“ lautete der Untertitel des knapp fünfzig Seiten umfassenden Berichtes der AG-Mittelstand im edlen silbergrauen Einband. Die AG besteht inzwischen aus neun Verbänden, die rund 4,5 Millionen Unternehmer vertreten und fast die Hälfte aller Bruttoinvestitionen und der Bruttowertschöpfung produzieren. Fast 80 Prozent der Arbeitnehmer - über 30 Millionen - seien im Mittelstand beschäftigt. Mehr als acht von zehn Lehrlingen bilde der Mittelstand im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe, im Dienstleistungsgewerbe, bei Banken, Kredit nahen Instituten, im Einzelhandel sowie im Hotel- und Gasstättengewerbe aus.

Für das gesamtwirtschaftliche Wachstum der Deutschen Wirtschaft erwartet der Mittelstand einen geringeren Verlauf, „nach zweieinhalbe Prozent im Jahr 2007 wird die Wachstumsrate 2008 zwischen anderthalb und zwei Prozent liegen, ohne dass sich derzeit allerdings die Gefahr einer Stagnation oder gar Rezession abzeichnet.“ Die Bundesregierung prognostizierte im diesjährigem Jahreswirtschaftsbericht fast zwei Prozent (1,9), im nächsten Jahr 2009 flache der Wachstumspfad auf über ein Prozent (1,2) ab.

Ursachen für die wirtschaftliche Lage sahen die AG-Mittelstandsvertreter in der nachlassenden internationalen Wachstumsdynamik und geringerer Investitionen in die Binnenwirtschaft. Auftragseingänge und Auftragsbestand seien jedoch vergleichsweise hoch. Der private Konsum habe bisher nicht die erforderliche Schwungkraft entfaltet, die zum Ausgleich der schrumpfenden Außenwirtschafts- und Investitionsdynamik erforderlich wäre.

Im Gegenteil, bilanzieren Anton Börner und Christophe Pleister, der erhöhten Umsatz- und Versicherungssteuer im Januar 2007 folgten Anstiege der Lebensmittel- und Energiepreise bis zu 50 Prozent laut dem Statistischen Bundesamt vom 27. Mai 2008, die Verbraucher erlebten die größte Teuerung seit dreizehn Jahren, heißt es auch im Mittelstandsbericht 2008. Die privaten Konsumausgaben sanken real um 0,3 Prozent. Seit 2007 tendieren die Umsatzzahlen im Handel, im Kfz-Gewerbe und im Wohnungsbau nach unten. Den Forschungsinstituten und dem Sachverständigenrat bescheinigte der Mittelstand wörtlich „Hoffnungswerte“, denn der vorausgesagte Konsum blieb aus. Die aktuelle Tarif-Lohndebatte, der Beschäftigtenzuwachs sowie kleinere Beitragsentlastungen und deren Entwicklungen, stimmten den Mittelstand erwartungsvoll, vergleichsweise gute Wachstumsprognosen für 2007 zu erzielen und den Portemonnaies der privaten Haushalte mehr Geld zu zuführen.

Irritationen internationaler Finanzmarktkrisen wertete der Mittelstand als Probleme des Immobilienmarktes in den USA, deren Folgen die Konjunktur substantiell gefährden, weil die Energie- und Rohstoffpreise deutlich anstiegen und der Euro gegenüber dem Dollar an Währungsstärke gewann und damit die Wechselkurse hoch trieb.

Die Perspektive der AG-Mittelstand zur wirtschaftspolitischen Lage Deutschlands wird unterfüttert von den Arbeitslosen- und Erwerbstätigenzahlen der Bundesagentur für Arbeit. Die Präsidenten Pleister (BVR) und Börner (BGA) loben die Zunahme der Erwerbstätigenzahlen, die Anfang 2008 so hoch ausfielen, „wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik, die Zahlen der Arbeitslosen umgekehrt“ standen seit 15 Jahren nicht mehr so tief.

Die konkreten Forderungen an die Regierungspolitik haben es in sich. Anton Börner: „Die Lasten für Bürger und Betriebe bei den Sozialen Sicherungssystemen müssen auf unter 40-Prozent reduziert werden.“ Er sieht den Mittelstand zwischen der aktuellen Regierungspolitik und der globalen Finanzmarktkrise in „starker Position: Wir sind nicht mehr die Schwächeren“, sagte Anton F. Börner dem Demokratie Spiegel nach der Pressekonferenz in Berlin.

„Wir fordern verlässliche und klare Rahmenbedingungen, die auch in schwierigen Zeiten mit explodierendem Ölpreis, niedrigem Dollarkurs und aufkeimender Inflation Wachstumsimpulse setzen und die erreichten Reformerfolge nicht verspielen.“ Seine Bilanz: „Der Reformkurs muss fortgesetzt werden, denn unsere weltweiten Wettbewerber bleiben nicht stehen.“ Die Rücknahme des Risterrentenfaktors weise in die falsche Richtung, so der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels eV (BGA). Damit stünde Unternehmern, Arbeitnehmern und der Gesellschaft eine fragwürdige Hypothek, bevor. Daher forderten sie den Umbau, statt den Ausbau des Sozialstaates.

Die geringere Neuverschuldung fuße vorrangig auf die Steuermehreinnahmen des Bundes, so die Vertreter der AG-Mittelstandsvereinigung Börner und Christopher Pleister, nicht auf diszipliniertes Ausgabeveralten: Mit knapp fünf Prozent seien die Einnamen der öffentlichen Haushalte 2007 stärker gestiegen, als die Einkünfte der Steuerpflichtigen. Dies erkläre die zurückhaltende Kauflust der privaten Haushalte. Die öffentliche Hand profitiere überproportional von den steigenden Bruttoeinnamen der Bürger. Hierfür seien die erhöhten Steuern sowie die reduzierten Steuervorteile und die verdeckten Steuermehrbelastungen im Zuge der kalten Progression verantwortlich.

Die Steuerreformen würden sich nicht widersprechen, wenn die Regierung sie konsolidiere, beispielsweise habe die Regierung den überfälligen, richtigen Schritt gemacht, weil sie den Beitrag dieses Jahr zur Arbeitsloseversicherung senkte. Es sei ausreichend Geld in der Kasse vorhanden, sagte Börner, widersprüchlich seien die Konzepte der Gesundheitsprämie einerseits und der Bürgerversicherung andererseits, betont der Mann mit lauter Stimme. Die AG-Mittelstand lokalisiert hier einen Gordischen Knoten im gesundheitspolitischen Reformstau, der durchschlagen werden müsse. Dreh- und Angelpunkt sei es, Staat, Bürger und Betriebe zu entlasten, indem ineffiziente arbeitsmarktpolitische Instrumente, insbesondere die Arbeitsbeschaffungsmaßnamen (ABM) und Ein-Euro-Jobs, umgestaltet werden. Von gegenwärtig auf achtzig unterschiedliche Personengruppen abzielende Instrumente sollte die Regierung sich verabschieden und zu einer Generalklausel übergehen, die Arbeitslose fördere und die von den Arbeitsverwaltungen vor Ort zu bewältigen wäre.

Der Unternehmer Anton F. Börner glaubt fest, dass es einen Regierungsrutsch auf Bundesebene nach rotlinks nicht geben wird, dem Demokratie Spiegel sagte er: „Und wenn ja, mit der SPD hatte wir in der Vergangenheit die stärksten sozialen und arbeitsmarktpolitischen Einschnitte, die es in Deutschland nach 1949 je gegeben hat, ich befürchte nicht, dass die SPD die Wirtschaft umstößt.“ Das Szenario, die Partei Die Linken könnte das Regierungshandeln nach der nächsten Bundestagswal stärker beeinflussen als es Betriebswirten und Volkswirten lieb ist, will er sich nicht vorstellen können: „Die haben doch keine Konzepte. Wir müssen uns dem globalen Wettbewerb stellen, da kann man nicht in altes Gedankengut und nicht in alte Betriebsgebäude investieren, das macht doch keiner“, sagte Börner und schüttelte den Kopf. Sichere Arbeitsplätze und stabile Unternehmen sind langfristig nur mit sinkenden Versicherungsbeiträgen und Lohnebenkosten zu erreichen, und wenn die Rahmenbedingungen in Deutschland eben das nicht hergeben, dann werden die „Unternehmer mit Geldern der Europäischen Union, die zum Aufbau neuer Mitgliedsstaaten, wie Rumänien, verteilt werden, abwandern. Das erhält auch gleichzeitig Arbeitsplätze in Deutschland.“ Was mit den entlassenen Bürgern im alten Werk dann passiere, interessierte in nicht, er schwieg, auch nach zweimal nachgefragt. Wir sind nicht mehr die Schwächeren.

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